Selbst wenn der Erblasser einen Erben testamentarisch ausschließt, steht dem in aller Regel ein Pflichtteil zu.
Telfs – „Du wirst enterbt!“ oder „Ich vermache alles dem Tierschutz!“ – So lauten häufige Drohungen, um ein Wohlverhalten von Verwandten zu erzwingen. Andere versuchen, sich Pflegeleistungen im Alter mit dem Versprechen „Du kriegst einmal alles!“ zu erkaufen. In der Realität funktioniert weder das eine noch das andere so radikal, selbst wenn es im Testament steht: Ein Vollausschluss erbberechtigter Verwandter ist kaum möglich, bestätigt der Telfer Rechtsanwalt Peter Bergt.
Der Pflichtteil ist prinzipiell ein Geldanspruch
Peter Bergt (Rechtsanwalt in Telfs)
Dem Ehegatten und den Kindern (oder Enkeln) steht ein bestimmter Pflichtteil zu. Auch Vorfahren (Eltern, Großeltern) kommen zum Zug, wenn es keine Nachkommen gibt. „Der Pflichtteil ist die Hälfte vom gesetzlichen Erbteil“, erklärt Bergt am Beispiel einer Familie mit zwei Kindern nach dem Tod des Vaters: Läge kein Testament vor, bekäme die Witwe und jedes Kind je ein Drittel. Hat der Mann seine Frau als Alleinerbin eingesetzt, steht den Kindern noch je ein Sechstel zu.
Ein uneheliches Kind des Erblassers ist ehelichen gleichgestellt. Oft wird hier ein Ausschluss vom Erbe angestrengt mit dem Argument, dieses Kind hätte sich nie um den Vater gekümmert. Das geht aber vor allem dann ins Leere, wenn dieser gar keinen Kontakt wollte. Im Beispielfall teilen sich dann also drei Kinder zwei Drittel des Erbes.
Das größte Problem beim Pfichtteil: Er ist „prinzipiell ein Geldanspruch, außer der Erblasser wendet etwas Bestimmtes zu. Das sollte aber zumindest den Wert des Pflichtteils haben“, erläutert Bergt. Der Anspruch auf Bares kann zB die Witwe in große Probleme stürzen, wenn außer dem Haus nichts da ist.
„In der Bewertung wird der Verkehrswert zum Todeszeitpunkt geschätzt“, sagt Bergt. Um die Kinder auszuzahlen, wäre die Frau zum Verkauf gezwungen. Hier hat der Gesetzgeber inzwischen einen Riegel eingebaut: Dem Ehegatten gebühren als „gesetzliches Vorausvermächtnis“ das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen, sowie die beweglichen Güter, die zur Erhaltung der bisherigen Lebensverhältnisse nötig sind. Bergt ergänzt: „Im Wohnungseigentumsrechtsgesetz gibt es Sonderregelungen. Der Anteil des Verstorbenen geht auf den überlebenden Ehepartner über.“ Allenfalls müsse dieser einen „verminderten Übernahmspreis“ an die Verlassenschaft zahlen.
„Oft ist es so: Einer will das Haus, kann die anderen aber nicht auszahlen“, weiß Bergt. Einigt sich dieser Erbe mit den anderen Anspruchsberechtigten nicht auf reduzierte Abschlagszahlungen (oder Gegenleistungen zB in Form eines Wohnrechtes), dann bleibt nur der Verkauf.
Um dieses Dilemma zu vermeiden, kann der Erblasser etwa frühere Geschenke einrechnen: „Ich kann zB im Testament festlegen: Dieses Kind hat schon eine Wohnung gekriegt – und die ist auf den Pflichtteil anzurechnen.“
„Eine andere Variante ist es: vorher etwas zu geben gegen Pflichtteilsverzicht: Dann hat der Empfänger keinen Anspruch mehr auf die Verlassenschaft. Ein Pflichteilsverzicht ist ein Verzicht – auch wenn sich das Vermögen später gravierend erhöht hat.“ Dies müsse man aber bei einem Anwalt oder Notar festhalten. „Eine handschriftliche Vereinbarung ist zu wenig.“
Tatsächlich ist so eine Schenkung mit Pflichtteilsverzicht am ehesten ein Schlupfloch, um ungeliebte Erben zu düpieren. „Man könnte einem alles schenken und einen Pflichtteilsverzicht festlegen – und die anderen damit austricksen“, weiß Bergt. Ob das hält, ist eine Frage des Zeitpunkts und der Umstände des Einzelfalles: „Man müsste früh genug übergeben, damit das nicht nach Umgehung ausschaut“, betont Bergt. „Auf jeden Fall anfechtbar ist alles, was in den letzten zwei Jahren vor dem Tod an Fremde verschenkt wurde.“
Apropos austricksen: In Bauernfamilien passiert es laut Bergt öfter, dass eine Linie fast alles bekommt und der Rest mit lächerlichen Pflichtteilen abgespeist wird. Möglich ist dies durch Schutzbestimmungen zur Wahrung der Hofeinheit – und durch Gutachten, die selbst Bauland minimal bewerten, weil es der Bauer doch bloß als Wiese nutzen könne.
Ganz selten liegt ein gesetzlicher Enterbungsgrund vor. Darunter fällt zB ein schweres Verbrechen wie Mord. Erbunwürdig kann auch sein, wer den Erblasser hilflos im Stich gelassen hat (oder ihn gar schwerst verletzt hat und verurteilt ist) – oder wer eine „gegen die Sittlichkeit anstößige Lebensart beharrlich führt“.
Konkret ist das schwer fassbar und wandelt sich, räumt Bergt ein: 1968 etwa wertete der Oberste Gerichtshof eine ehebrecherische Lebensgemeinschaft gegen den Willen der Gattin und Erblasserin als Grund, 1997 war es zB wiederholte Haft wegen größerer Eigentumsdelikte.
von Elke Ruß
Veröffentlicht in der Tiroler Tageszeitung am 4.3.2013